Pionierfahrten….das hat nichts mit Militär zu tun. Sondern hier treffen sich Männer und Frauen, die Spaß an technischen Herausforderungen haben und ein Motorrad aus den Anfängen des Zweirades, eben aus den Pioniertagen, zu fahren.
Sicher ist der Pioneer Run , inzwischen über 75 mal in England zwischen London und Brighton ein Begriff in der Oldtimerwelt.
Aber auch hierzulande sorgen die Fahrer/innen, die mit einem „Frühchen“ unterwegs sind, noch für ungläubiges Staunen an den Strecken oder bei den Pausen. Begeisterung allenthalben ist bei diesem rollendem Museum Gewiss. Es sind nicht viele, die sich mit uraltem Material aus der Frühzeit der Mobilisierung auf die Straße wagen, so sind eben fast immer die gleichen netten Leute bei den deutschen Veranstaltungen anzutreffen. Die älteste hierzulande ist die „Spökenkiekerfahrt“ an Beckmanns Museum in Harsewinkel. Die „Keilriemenfahrt“ , die größte dieser Veranstaltungen mit der Sonderklasse bis 1924. Sie findet in Osthofen statt. Gleich nebenan in Westhofen im September die „Old Crocks“ bei der nur Fahrzeuge bis 1906 starten dürfen. Da gibt’s aber auch eine Youngtimer Klasse bis 1907(!). Die Rheinische Pionierfahrt in Dom Esch und die Südpfälzer Pionierfahrt in Minfeld wechseln sich jedes Jahr als Veranstaltungsort ab, beide so auch wie alle anderen bestechen mit schönen Streckenführungen die den alten Maschinen angepasst sind.
Was das heißt , dazu kommen wir später. Ein besonderes Highlight ist auch die in der Münchner Umgebung stattfindende Kaiserzeitausfahrt , natürlich in allerbestem gemütlichem Bayrischen Ambiente. Im Norden ist die „Norddeutsche Pionierfahrt „ dazu gekommen, die, was Gemütlichkeit und Streckenführung betrifft herausragen ist.
Ausfahrten für Pionier Fahrzeuge in Deutschland :
letzte WE im April: Keilriemenfahrt Osthofen 1924
Fronleichnam 17.-18.6.17 : Pionierfahrt Niedersachsen Syke 1914
Anfang August: Kaiserzeitausfahrt Haag 1918 / 1924
2. September WE : Pionierfahrt Rheinland ,jährlich im Wechsel mit der Süd Pfälzer Pionierfahrt von Martin Scholl
letztes September WE : Old Crocks Westhofen 1905
Erste Oktober WE: Ostalb Keilriemenfahrt Dewangen 1924
Die „echten“ Pioniere verfügen natürlich über einen „Schnüffelmotor“ und haben kein Getriebe. Das kann beim Starten und Anhalten eine Schweißtreibende Angelegenheit sein . Sicher, vor einhundert Jahren war die Verkehrsdichte nicht mit der heutigen zu vergleichen und so muss also beim Ampelstopp die Fuhre wieder anpedalliert werden. Der Schnüffler hat ein automatisches Ansaugventil , lediglich das Auslass wird von einer Nockenwelle gesteuert. Dazu kommt ein sogenannter Spritzvergaser ( ganz alte Maschinen sogar noch Oberflächenvergaser) der, wenn es ihm beliebt, die Maschine zusammen mit Batteriezündung oder frühem Hufeisenmagnet in Bewegung setzt. Auch die Bremsen entsprechen natürlich ihrem Ursprung. Daher werden die Strecken von den Veranstaltern sorgfältig ausgesucht.
Aber…immer mal wieder trifft man mal jemanden der irgendwo mal wieder etwas spannt oder festschraubt. Das ist normal und kein Grund zur Häme , wer einmal Opa Geuders Buch über die Frühzeit des Motorrades gelesen hat weiß, das die meisten der Pannen auch schon passierten als unsere Motorräder noch jung waren. Meist geht es aber irgendwie doch weiter dank des Schraubens oder der Hilfsbereitschaft anderer. Und…dann gibt’s ja auch noch den Besenwagen.
„Entdeckung der Langsamkeit“
Die 333 Kubik Allright des Autors hat 2 ¾ PS. Das reicht für ca 70 KMH. Und ist mir oft zu schnell, denn ich weis um meine Bremsen, habe meistens Traumwetter und ebensolche Strecken. Also drossele ich über Stangen den Vergaser- Ansaugweg so, das ich mit ca 25-50 Kmh dahingleite. Immer aufmerksam, keine Streckenschilder verpassen und möglichst verzögerungsbereit sein.
Ich bremse auch mit der Zündung , gebe manchmal etwas mehr oder weniger Luft …..und genieße jeden Augenblick wie ein kleiner Junge! An meinem Messingtank hängt eine Handölpumpe.
Habe ich den Eindruck das der Motor frisches Öl braucht , so ziehe ich bei geschlossenem Tankventil die Pumpe auf, öffne und gebe das Öl schubweise in den Motor.
Das habe ich als Anfänger oft Übertrieben und mir so eine Ölsardine gebastelt.
Tatsächlich lasse ich am Anfang ca 100ml. Frisches Öl ins Kurbelgehäuse und pumpe dann erst ca.40 Kilometer die nächste „Dröhnung“ hinein. Reicht dann bis zum Schluss der meistens so um 80 Kilometer langen Strecken. Ist der Keilriemen (ich benütze gern Gliederriemen) einmal eingefahren und hat sich entsprechend gedehnt, braucht man ihn nur noch selten zu spannen.
Es dauert einige Zeit bis man sich an die vermeintlich „einfache“ Technik gewöhnt hat und man seine Maschine einigermaßen zuverlässig hat. Probefahren mit einem Pioniermotorrad in der Innenstadt Kölns würde vermutlich in der geschlossenen Abteilung enden, so habe ich meine Frühchen eben auf den Pionier Veranstaltungen einfahren müssen.
Aber alles in allem ist es großartig, ein Motorrad (oder Auto) aus den Anfängen der Mobilität besitzen und auch benutzen zu können. Denn es vermittelt wie kein anderes Fahrzeug das Zeitgefühl jener Tage. Haben Sie auch so ein Ding in Ihrer Sammlung?
Nicht fahrbar, so meinen sie? Wenn es so gewesen wäre, gingen wir heute noch zu Fuß , führen Rad oder benutzten die Kutsche! Kommen sie mal vorbei, genießen die Gastfreundschaft und die tollen Maschinen. Sie werden begeistert sein und sich an die Arbeit machen. Garantiert…..
Ihr Horst Nordmann